Zellstress und verlorene Rückkopplung bei ALS – ein systemischer Blick

Notiz:

Diese Notiz dient als Zwischenstand einer offenen Überlegung im Rahmen der Begleitung einer ALS-Patientin. Sie reflektiert aktuelle Forschungsansätze zur zellulären Stressantwort bei ALS und stellt die Hypothese auf, dass zentrale Zelltypen nicht nur überlastet, sondern dauerhaft in einem fehlgesteuerten Funktionsmodus (“Zellstressmodus”) gefangen sind – vergleichbar mit dem Konzept eines autonomen Daueralarms im Körper.

1. Zelluläre Stresszustände bei ALS

In der aktuellen Forschung sind folgende Phänomene gut dokumentiert:
– Dauerhafter oxidativer Stress
– Glutamat-induzierte Übererregung
– Gestörter Kalziumhaushalt
– Mitochondriale Dysfunktion
– Mikrogliaaktivierung und chronische Neuroinflammation
– Autophagiehemmung & fehlerhafte Proteinhomöostase (z. B. durch TDP-43)

Diese Prozesse deuten auf eine dauerhafte zelluläre Überlastung hin, die über längere Zeit nicht mehr kompensiert wird.

2. Hypothese: Der Zellstressmodus als verlorene Rückkopplung

Zellen wie Motoneurone, Mikroglia und Astrozyten könnten nicht einfach ‘defekt’ sein, sondern sich in einem dysfunktional gewordenen Dauerzustand befinden. Dieser Zustand ähnelt strukturell dem, was die Polyvagal-Theorie für das Nervensystem beschreibt: ein Verlust der adaptiven Schaltfähigkeit zwischen Anspannung und Ruhe.

Die Zelle kann nicht mehr in ihren regenerativen Grundmodus zurück – sie ist funktionell blockiert, obwohl strukturell noch vorhanden. Dies könnte die lange Phase des funktionellen Abbaus bei ALS teilweise erklären.

3. Perspektiven: Rückführung statt Blockade

Einige Forschungsansätze zielen bereits in diese Richtung, u. a.:
– Ketonkörper & Fastenstrategien (energetischer Reset)
– mTOR-Hemmung & Autophagie (z. B. durch Rapamycin)
– Vagusnerv-Stimulation (klinisch erprobt)
– Low-Dose-Naltrexon zur Mikroglia-Modulation

Diese Strategien eint ein Ziel: Nicht nur Symptome zu unterdrücken, sondern eine Rückkehr zur zellulären Selbstregulation zu ermöglichen – also zur verlorenen Rückkopplung.

Schlussbemerkung

Diese Notiz ist keine therapeutische Empfehlung, sondern ein Denkansatz im Übergangsbereich von Zellbiologie, Systemmedizin und neurophysiologischer Regulation. Weitere Klärung ist notwendig.